traumgeschichten

Dienstag, 18. August 2015

England

Ich stehe auf einer herrlich grünen, kurzgeschorenen Wiese, vor einem dunklen, fast schon bedrohlichen Kasten von Schloss. Auf der Wiese liegen Decken, auf den Decken verteilt sitzen etwa ein Dutzend Picknickfreunde, die den warmen Morgen für ein gemütliches Frühstück nutzen. Es sind die Reste eines Progressive-Rock-Fanclubs, der das Schloss gestern gemietet hatte. Nach dem Frühstück werden sie aufbrechen.
Ich habe bereits meinen Rucksack auf dem Rücken und will gerade gehen, als mich ein älterer Herr freundlich von der Seite anspricht, ob noch Wurst da sei. Ich kratze hastig meine Englischkenntnisse zusammen und radebreche "Ja, sicher. Setzen Sie sich doch, hier drüben." und zeige auf eine Decke, auf der noch zwei weitere Fans sitzen. Keinesfalls soll er sich abgewiesen fühlen, denn es ist David Gilmour.
Er mampft fröhlich ein Wurstbrötchen und schaut sich in aller Ruhe um. Niemand beachtet ihn, niemand erkennt ihn. Er fängt an, über Video Games mit mir zu quatschen, was ich so zocke, was es Neues gibt. Ich verstehe nicht alles, was er sagt, aber zum Glück hat er Untertitel, so dass die Konversation nicht allzu sehr ins Stocken gerät.

Montag, 2. August 2010

...

ein mausjunge, schlafend auf der couch seiner ärmlichen unterkunft, zugedeckt mit seinem geliebten, beigefarbenen mantel. die anderen mäuse schlafen irgendwo im haus. ich trete zu ihm, lege meinen eigenen mantel auf dem polster ab - er hat dieselbe farbe. als ich mich über ihn beuge, fürsorglich das schützenswerte leben betrachtend, wird mir klar, dass er mich verwechseln wird. er öffnet schläfrig seine kleinen augen, sieht meine silhouette, lächelt glücklich. ich bin nicht der, den er meint, doch er rollt sich zufrieden zusammen und schläft weiter. das missverständis treibt mir unterdrückte tränen in die nase.

Montag, 22. Februar 2010

...

Dunkelheit. Links ein schmales, schnell fließendes Wasser. Vor mir goldene und silbrige Pfützen von Edelmetall. Zähflüssig kratze ich einen verzweifelten Silberfladen zusammen, doch bei näherer Betrachtung mischen sich zu viele Stahlstücke darunter. Keine Zeit zum Aussortieren, ich muss hier raus, fort von den heimlichen Schrecken dieses Kellers. Den Rücken an die Wand gepresst, lauschend, dann schnell die brüchige Treppe hinauf in das erste Stockwerk einer baufälligen Bretterbude, ein Schuppen von der Größe eines schmalen Wohnhauses. Lose vernagelte Bretter und Balken, die eigentlich jeden Moment auseinanderfallen müssten. Weiter hinauf. Im zweiten Stock der Blick nach oben. Füße und Bewegung über mir, Helligkeit, reflektierender Schnee. Oben angekommen ist der Schnee verschwunden, das Dach offen zwar, doch eine Fensterfront geschlossen zum Garten hinaus. Ich stehe nicht alleine hinter dem Fenster und schaue hinaus. Draußen eine Wiese, dann ein weiterer Schuppen. Die Türen öffnen sich, es ist ein Stall, an der Schwelle Pferde. Sie schauen vertrauend und vertraut zu uns herauf; ein Gaul grinst fröhlich, dann singen sie im Chor. Bei uns im dritten Stock bricht Freude aus, laut klatschend und johlend folgen wir der Darbietung, etwas traurig, weil unsicher, ob unser Beifall sie erreicht. Plötzlich Party. Das Haus ist bis in den dritten Stock geflutet, warmes Wasser; die unzähligen Ritzen der Bretterwand halten dicht; es steht mir bis zum Hals. Eine Rutsche sorgt für Stimmung, überall Menschen. Es gefällt mir hier, doch ich will hinunter, hinein in das Haus. An der Treppe wird mir klar, dass das Wasser meinen sicheren Tod bedeutet. Keine Luft, nirgendwo im Haus. Ich erwäge die Möglichkeit, dennoch zu tauchen. Ich muss dort hinunter, allen Wahrscheinlichkeiten entgegen, hoffen, meinen Tod in Kauf nehmen. Die Angst überwiegt. Als ich resigniere, meine Rolle als Beobachter und stiller Teilnehmer des fröhlichen Treibens akzeptiere, sinkt das Wasser. Gleichzeitig legt jemand Musik auf, die Leute erkennen das Schlagzeug-Intro und fangen an zu tanzen. Es ist ein Song meiner Band. Ich höre mich selbst über die Anlage des Hauses und bin ob der Aufmerksamkeit peinlich berührt. Steige hinab in den zweiten Stock. Finde eine verschlossene Tür. Drehe den Knauf, öffne, ein vorsichtiger Schritt in ein Zimmer, das vom Wasser unberührt blieb; Schafsfelle, Bücher, Holz und Lampen. Mein Blick bleibt auf den trockenen Boden geheftet. Nur ein kurzes, scheues Aufschauen offenbart mir den Bewohner dieses Zimmers. Auf halber Höhe sitzt in einer Ecke ein mir unbekanntes, dunkelhaariges Mädchen; eingerollt, zusammengekuschelt beschäftigt sie sich mit der Fotokamera in ihrer Hand und blickt nur einmal zu mir herüber. Ich ziehe mich zurück. Es ist gut.

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